Veranstaltung: | Programm zur Wahl der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte 2016 |
---|---|
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.06.2016, 14:27 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 2: Bezirk der Möglichkeiten
Text
2.1 Gleiche Chancen durch gute Bildung schaffen
Die Bildungslandschaft zwischen Moabit, Wedding und Alt-Mitte ist so vielfältig
wie unser Bezirk. Kinder, Jugendliche und Erwachsene leben und lernen hier in
den Kitas, Schulen, Bibliotheken, Musikschulen, Volkshochschulen und
Freizeitstätten. Obwohl unsere Bildungslandschaft schon einiges bietet, ist noch
viel mehr möglich. Denn in Berlin-Mitte zu leben ist keine Garantie, gleiche
Chancen auf gute Bildung zu erhalten. Dies wollen wir ändern.
Bildung fängt weder in der Schule an, noch hört sie dort auf. Auch wenn Schulen
einen großen Teil bezirklicher Bildungspolitik ausmachen, gehören für uns auch
die zahlreichen außerschulischen Bildungsangebote dazu. Bibliotheken,
Musikschulen, Volkshochschulen und auch die Bildungsverbünde sind für uns
unentbehrliche Bestandteile der bezirklichen Bildungs- und Kulturlandschaft.
Diese wollen wir stärken und Konkurrenzen zwischen Bildungsangeboten überwinden.
Dabei möchten wir das Bildungs- und Kulturangebot gerade für ältere Menschen in
ihrem Wohnumfeld ausbauen.
Vor allem die Bildungsverbünde fördern den reibungslosen Übergang von Kindern
zwischen den einzelnen Bildungsstufen von der Kita bis zur Oberschule. Zukünftig
wollen wir dieses erfolgreiche Modell nicht nur im Wedding und in Moabit,
sondern auch im Gesundbrunnen und im Brunnenkiez aufbauen, um auch dort die
Bildungschancen für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Finanzielle
Unterstützung kommt dafür vom Land, aber das Engagement und die Konzepte müssen
vor Ort in die Projekte einfließen. Dafür wollen wir einstehen.
Bei der Bildungspolitik liegt uns die Beteiligung aller Schüler*innen am Herzen,
denn sie sind der Mittelpunkt unserer Schulpolitik. Mit dem Schülerhaushalt
wollen wir neue Wege in der Beteiligung von Schüler*innen gehen. Außerdem werben
wir in den Schulen dafür, schuleigene Mittel wie das Bonusprogramm oder das
Energiesparprojekt „Fifty/Fifty“ anteilig den Schüler*innen für eigene Ideen und
Projekte zur Verfügung zu stellen.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen in und nach der Schule die
bestmöglichen Chancen erhalten, um als selbstbewusste Persönlichkeiten unsere
Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Deshalb möchten wir Inklusion voranbringen,
damit alle Menschen in unserem Bezirk teilhaben können. Dafür wollen wir ein
bezirkliches „Netzwerk Inklusion“ initiieren.
2.2 Schulen sanieren und Abschlüsse für alle Schüler*innen ermöglichen
70 Prozent aller bezirklichen Gebäude in unserem Bezirk sind Schulgebäude. Diese
sind viel zu oft in einem schlechten Zustand: Ekel-Klos, kaputte Fenster und
Dächer hindern ein lernförderliches Klima. Hier kann und muss der Bezirk
zukünftig mehr tun. Nach fünf Jahren liebloser Schulpolitik im Bezirk ist der
Sanierungsstau auf rund 120 Millionen Euro angewachsen, weil Rot-Schwarz sehr
viel Geld des Landes für Sanierungen Jahr für Jahr verfallen lässt. Gleichzeitig
verlassen in keinem anderen Bezirk so viele Jugendliche die Schule ohne
Abschluss wie bei uns.
Mit der Schulsanierung möchten wir mit den Schulen gemeinsam den Weg zu einem
besseren, gemeinsamen Lernen gehen. Wir wollen eine echte Sanierungsoffensive
wagen und dafür sorgen, dass unser Bezirk zum Vorreiter für eine moderne und die
Bildung fördernde Sanierung der Schulen wird. Dazu brauchen wir einen
Schulsanierungsplan, in dem die Bedarfe und Wünsche der Schulen einbezogen, die
Maßnahmen finanziell abgesichert und selbstverständlich auch umgesetzt werden.
Den Grünen Vorschlag eines landeseigenen Unternehmens für Schulsanierungen
werden wir voranbringen, damit Sanierungen von Schulen im Land Berlin
beschleunigt und aus einer Hand umgesetzt werden können.
Mit den Schulen, an denen 20 bis 40 Prozent der Schüler*innen keinen Abschluss
schaffen, werden wir in einen Dialog treten. Wir wollen, dass jede*r Schüler*in
im Bezirk mit einem Schulabschluss die Schule verlässt. Um dies zu schaffen,
braucht es keine „Reförmchen“ nach dem Gießkannen-Prinzip, sondern individuelle
Lösungen. Wir wollen dazu pragmatisch im Gespräch mit den Schulen schrittweise
Verbesserungen umsetzen und beispielsweise kleinere Klassen, räumliche
Veränderungen und passende Beteiligungsmöglichkeiten schaffen.
2.3 Geflüchtete Menschen willkommen heißen, integrieren und teilhaben lassen
Wir heißen geflüchtete Menschen willkommen und wollen ihnen Schutz bieten.
Integration ist für uns ein Fördern und Fordern, von neuen und alten
Mitbürger*innen. Dies kann nur gelingen, wenn wir Menschen echte
Teilhabemöglichkeiten bieten - beim Wohnen, in der Bildung, mit Arbeit - aber
auch mit unserem Anspruch an alle, sich in die Gesellschaft einzubringen.
Deshalb setzen wir uns für eine menschenwürdige Unterbringung ein, solange noch
kein eigener Wohnraum gefunden wurde. Außerdem werden wir sicherstellen, dass
der Spracherwerb unserer neuen Nachbar*innen nicht an fehlenden
Kinderbetreuungsmöglichkeiten scheitert. Wir schlagen vor, in jedem Stadtteil
Sprachbildungszentren einzurichten, welche die Qualität der Kurse sicherstellen
und für alle Menschen erreichbar sind.
Kein anderer Bezirk in Berlin hat so viele geflüchtete Kinder und Jugendliche in
die Schulen aufgenommen wie Berlin-Mitte. Auf Initiative unserer Fraktion wurden
schon 2013 die „Willkommensklassen“ in der bezirklichen Schulentwicklungsplanung
festgeschrieben. Dennoch stoßen die Schulen dieses Jahr an ihre räumlichen
Grenzen. Wir wollen nicht länger akzeptieren, dass die Schulen immer voller
werden und die Qualität darunter leidet. Stattdessen braucht unser Bezirk neue
Schulstandorte und, wo möglich, mobile Ergänzungsbauten. Der Grundschulneubau an
der Boyenstraße in Alt-Mitte/Wedding ist ein erster richtiger Schritt.
Insbesondere für die Oberschulen brauchen wir ein intelligentes Raummanagement.
Eine Beschulung von geflüchteten Menschen in den eigenen Unterkünften lehnen wir
ab.
Wir wehren uns gegen jede Form der Diskriminierung wie in Schulen, die ihre
Jugendlichen aufgeben, oder auch bei Arbeitgeber*innen, die nach dem Klang des
Namens einstellen. Zuwanderung kann Bereicherung und Chance für unsere
Gesellschaft sein, wenn auch wir diese annehmen.
2.4 Den Bezirk als Kulturstandort weiterentwickeln
Ein breites Kulturangebot gehört für uns in einem lebendigen Bezirk dazu. Wir
sind stolz auf die Kulturnetzwerke und die Galerien, die sich auch mit
Unterstützung des bezirklichen Kulturamtes entwickelt haben. Die Bibliotheken
haben durch die neue Schiller-Bibliothek im Wedding einen deutlichen Schub
erfahren. Als nächsten großen Schritt wollen wir den Ausbau und die
Modernisierung der Bruno-Lösche-Bibliothek an der Perleberger Straße zum
Schwerpunkt machen.
Unsere Volkshochschule ist ein wichtiger Motor der Fort- und Weiterbildung, aber
auch der Integration. Dafür ist es wichtig, Mittel und Räume in den Stadtteilen
zur Verfügung zu stellen, um Menschen jeden Bildungsstandes und jeder Lebenslage
einen einfachen und bezahlbaren Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Eine moderne Erinnerungskultur liegt uns sehr am Herzen. Menschen
unterschiedlicher Traditionen, Religionen und Ethnien leben in Berlin zusammen.
Sie blicken alle aus ihrer ganz eigenen Perspektive auf die Geschichte zurück,
die sich heute nicht (mehr) in einfachen Rastern darstellen und vermitteln
lässt. Wir treten für die Entwicklung von Formen der Erinnerungskultur ein, die
der Unterschiedlichkeit der Menschen in unserem Bezirk gerecht werden, und
wollen dafür angemessene Techniken der Informationsvermittlung nutzen. Dabei
setzen wir einen Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit der immer noch zu
wenig beachteten Kolonialvergangenheit Deutschlands. Dafür sind das Projekt
„Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“ und die Entwicklung der Audio-
App zur Erklärung der Straßennamen erste richtige Schritte. In diesem
Zusammenhang werden wir auch weiterhin mit Nachdruck dafür eintreten, dass die
Lüderitzstraße, die Petersallee und der Nachtigalplatz im Afrikanischen Viertel
nicht mehr Kolonialverbrecher ehren, sondern in enger Zusammenarbeit mit
Anwohner*innen, Initiativen und Vereinen wie Berlin Postkolonial e.V. umbenannt
werden. Außerdem werden wir den Deportationsbahnhof an der Putlitzbrücke in das
Bewusstsein der Stadt rücken.
2.5 Jugendhilfe stärken und Familien unterstützen
Viele Kinder, Jugendliche und Eltern brauchen die Unterstützung der bezirklichen
Jugendhilfe. Wir wollen die Qualität des Kinderschutzes und der Hilfen zur
Erziehung verbessern. Viele Stellen im Jugendamt wurden entweder gestrichen oder
können derzeit nicht besetzt werden. Daher wollen wir die Stellen beim Jugendamt
Berlin-Mitte attraktiver machen.
Wir möchten, dass Jugendfreizeitstätten sowohl von freien als auch öffentlichen
Trägern betrieben werden, wie dies gesetzlich vorgesehen ist. Die Vergabe von
Aufgaben an freie Träger sowie die freie und soziale Jugendarbeit müssen so
gestaltet sein, dass Mitarbeiter*innen der Erziehungshilfe
sozialversicherungspflichtig entlohnt werden können. Dafür muss das Land Berlin
die Bezirke stärker unterstützen. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass
Angebote für queere Jugendliche an einem Standort schwerpunktmäßig geschaffen
werden.
Elterngeld und Kitagutscheinstellen müssen wieder stärker personell besetzt
werden, damit Eltern die Leistungen auch wahrnehmen können. Dafür setzen wir auf
Familienbüros, bei denen alle Leistungen gebündelt von einer Stelle beantragt
werden können.
2.6 Gut und gesund leben für Jung und Alt
Weder Alter, Geschlecht noch Herkunft dürfen eine Hürde beim Zugang zu den
bezirklichen Informations- und Beratungsangeboten zu Gesundheit und Prävention
sein. Menschen, die auf Pflege und Unterstützung angewiesen sind, müssen
kompetente und fachlich qualifizierte Pflege und Betreuung bekommen. Dafür
stellen wir uns auch weiter gegen unseriöse Pflegedienste. Wir werden die
engagierte Arbeit im Bezirksamt für eine gute Versorgung von Hilfebedürftigen
fortsetzen.
Außerdem werden wir Programme zu gesunder Ernährung und Zahngesundheit in Kitas
und Schulen weiterführen. Angebote für Senior*innen wie Sturzprophylaxe wollen
wir erweitern. Dabei setzen wir auch auf die Zusammenarbeit mit starken
Kooperationspartner*innen wie Krankenkassen. Die Ergebnisse von Studien zur
Gesundheit der Bewohner*innen im Bezirk und der Lebenswelten von Senior*innen
möchten wir zügig mit Maßnahmen und Angeboten wie wohnortnahen Treffpunkten für
nachbarschaftliches Miteinander und gemeinsame Freizeit umsetzen. Unser Blick
richtet sich dabei auf alle Generationen und die jeweiligen Bedürfnisse. Gute
und gesunde Lebensbedingungen für alle Bewohner*innen sind unser Ziel.
2.7 Sport als übergreifende Aufgabe verstehen
Wir wollen die Förderung des bezirklichen Sports als Integrations- und
Inklusionsmotor weiterentwickeln. Das gilt nicht nur für unterschiedliche
Lebensformen und Herkünfte, sondern auch für unterschiedliche Altersgruppen und
Lebensphasen. Inklusive Sportangebote sind in vielen Vereinen bereits
selbstverständlich. Das wollen wir ausbauen. Durch den seit Jahren beschlossenen
Neubau der Sporthalle am Lessing-Gymnasium im Wedding wie auch durch eine
Ausweitung der Sanierung von Sportstätten und Schwimmbädern wollen wir den Sport
in unserem Bezirk fördern. Dazu braucht es auch mehr Stellen im Bezirksamt.
Die Nutzung von Sporthallen als Unterbringungsstätte für geflüchtete Menschen
wollen wir schnellstmöglich beenden. Wir wollen, dass geflüchtete Menschen
menschenwürdig und dezentral, möglichst in Wohnungen, untergebracht werden. Und
wo das auf die Schnelle nicht möglich ist, setzen wir uns für einen Dialog
zwischen allen Beteiligten ein, weil wir nicht zusehen wollen, wie
unterschiedliche Interessen gegeneinander ausgespielt werden.
Kommentare